Mittwoch, 6. Oktober 2021

» Auf Basidis Dach ; Mona Ameziane


"Zuhause ist für Mona Ameziane der Norden des Ruhrgebiets, aber auch der Norden Marokkos. In ihrem ersten Buch erzählt sie vom Aufwachsen zwischen zwei Kulturen, die mehr zu trennen scheint als drei Stunden Flugzeit, von abenteuerlichen Taxi-fahrten durchs Atlasgebirge und von einer leeren Dachterrasse voller Erinnerungen.

Als Mona ihren Vater fragt, wie oft sie wohl schon in Marokko war, denkt er nur kurz nach und antwortet: »Nimm einfach dein Alter mal eineinhalb, das müsste passen.« Wie genau er auf diese Formel kommt, weiß sie nicht, aber sie ist fest entschlossen, noch mehr Fragen zu stellen. Nicht nur ihrem Vater, sondern auch sich selbst und dem Land, das für sie schon immer mehr war als für die meisten Menschen in Deutschland. Mehr als Urlaubsziel oder »Herkunftsland« in der Zeitung nach einem Terroranschlag – mehr als oberflächliche Orientromantik und rassistische Stereotypen. Ihre Suche führt sie nach Fes zum Haus ihrer Großeltern, nach Agadir, wo sie die reichste Seite des Landes kennengelernt hat, und in abgelegene Dörfer, in denen Menschen beim Wort »Europa« nur verständnislos mit den Achseln zucken."


Die Handlung

Mona Ameziane könnte den Lesern bekannt sein als Moderatorin der 1live Stories, als Reporterin für Neueinhalb oder als jemand, der auf Instagram sehr gute Bücher empfiehlt. Mit Auf Basidis Dach hat sie nun ihr erstes eigenes Buch geschrieben und beschreibt darin, was ihr Marokko, die Heimat ihres Vaters bedeutet. Herkunft, Familie und Identität sind Themen, die sich wie rote Fäden durch die Episoden ziehen, in denen Ameziane über ihre Kindheit und Jugend spricht, die Bedeutung ihrer Familie in Marokko, insbesondere ihre Großeltern, über Alltagsrassismus, die Bedeutung von Religion in ihrem Leben und im Leben ihrer Familie und über eine Reise nach Marokko. 

Die Bewertung

Mona Ameziane kann schreiben und das wirklich richtig gut: Ich habe das Buch geradezu verschlungen und habe sehr viel sehr bildhaft vor Augen gehabt.
Das Buch erzählt so offen und ehrlich, humorvoll und kritisch, emotional und bildreich, dass es wirklich ein Lese-Vergnügen war. Zwischen Kapiteln, die wie ein sehr ehrlicher Reisebericht wirken, sind Anekdoten aus ihrer Kindheit und Jugend, zwischen Marokko und dem Ruhrgebiet, Bewertungen der beiden Religionen, mit denen sie aufgewachsen ist, die ihr aber dennoch nicht aufgedrückt wurden, Rassismus-Erfahrungen, Privilegien, die Suche nach Heimat. Es wirkt wahnsinnig authentisch, diese Gefühle für ihre zwei Heimaten, die Beziehung zu ihrem Vater und seiner Familie, die geschilderte marokkanische Kultur.

5 von 5 Sterne für dieses Buch!

Mittwoch, 21. Juli 2021

» Die Reise beginnt ; Jamie Littler (Die Legende von Frostherz #1)


"Vom Rest der Menschheit abgeschnitten durch Leviathane, die in einem Ozean aus Schnee lauern, liegt die Siedlung der Feura. Dort wartet der junge Ash in der Obhut seines Vormunds, des grummeligen Yetis Tobu, auf die Rückkehr seiner Eltern. Als Ashs magische, aber verbotene Fähigkeit des Klangwebens enthüllt wird, verbannen ihn die Feura. Zum Glück nimmt ihn die Frostherz auf, ein Schlitten voll kühner Pioniere. Mit ihnen und seiner neuen Freundin Lunah durchquert Ash das Schneemeer auf der Suche nach seinen Eltern. Leviathane und Krähenhexen sind dabei nur einige Herausforderungen, die er zu bewältigen hat – die allergrößte ist jedoch, sich selbst so anzunehmen, wie er ist."

Die Handlung

Das Dorf der Feura liegt weit im Norden, so weit abseits, dass sich kaum jemals jemand dorthin verirrt. Weil Ashs Eltern ihn als kleinen Jungen zurück gelassen haben, weil sie Pioniere sind, die das Land erkunden und für den Handel zwischen den vielen weit voneinander entfernten Dörfern sorgen, lebt der Junge bei seinem aktuellen Vormund, dem grummeligen, selten gut gelaunten Yeti Tobu, während sich das Dorf gegen die eisigen Bedingungen und gegen die gefährlichen Leviathane zur Wehr setzen muss, die das Land heimsuchen. Denn die Leviathane sind Schuld daran, dass die Dörfer immer kleiner werden, dass es schwierig ist, zu jagen - gefährliche Monster, die überall lauern und keinerlei Gnade zeigen.
Als ein Schlitten voller Pioniere im Dorf ankommt und auf dem Weg zu ihnen in furchtbare Gefahr geraten, wird jedoch enthüllt, dass Ash anders ist - ein Klangweber, eine der gefürchtetsten Fähigkeiten im ganzen Land. Dabei kann Ash einfach nicht verstehen, warum ihn alle so fürchten, wo er es doch gerade war, der die Frostherz, den Schlitten, gerettet hat! Egal, wie sehr er versucht, allen zu erklären, was sie falsch verstehen, wird der Junge auch schon aus dem Dorf der Feura verstoßen - und schließt sich deshalb kurzentschlossen den Pionieren auf der Frostherz an! Er hat die Hoffnung, mit ihnen seine Eltern zu finden - und zu enthüllen, was es mit dem Klangweben genau auf sich hat...

Die Bewertung

Dieses Buch ist ein absolutes Kunstwerk. Jamie Littler ist nicht nur Autor, sondern Illustrator und das sieht man auch, denn das Buch ist gespickt mit liebevollen Bildern von Ash und den anderen Figuren, der eisigen Landschaft, den gruseligen Monstern. Das erzeugt eine wahnsinnige Atmosphäre beim Lesen (oder Vorlesen), die einen durch die Geschichte begleitet. Außerdem liebe ich Bücher mit Karten und die Karte des Landes sieht fantastisch aus - auch wenn wir in Band 1 der Reihe nur einen kleinen Ausschnitt mit Ash kennenlernen.

Mir haben besonders die vielen ziemlich schrägen Figuren im Buch gefallen, die Ash auf seinem Weg findet: der Yeti Tobu, der stets grummelig ist, kaum je ein fröhliches Gefühl zeigt und Ash oft das Leben eher erschwert, als es ihm erleichtert. Die junge Drifterin Lunah, die von einem Volk abstammt, das seinen Stolz daraus zieht zu navigieren und unentdeckte Lande zu finden. Eigentlich die gesamte Crew des Schlittens Frostherz mit der Mursu-Kapitänin Nuk oder dem Vulpis Master Podd - es sind diese Geschöpfe, die von Jamie Littlers großer Fantasy künden und die Welt bereichern. Diese Welt ist fantastisch und auch wenn die Geschichte für mich persönlich an einigen Stellen etwas ziellos wirkte, wenn Ash nicht so recht weiß, wohin er möchte oder was er tun soll, so hat mir das Lesen doch großen Spaß gemacht. Dies ist insbesondere ein Buch, an dem ich Kinder beim Lesen und Vorlesen eine Liebe zum Lesen entdecken sehe - und das ist einfach toll!


4 von 5 Sterne!

Sonntag, 28. Februar 2021

» Daisy Jones & The Six ; Taylor Jenkins Reid

"Daisy Jones, jung, schön, von ihren Eltern vernachlässigt, hat eine klare Stimme und einen starken Willen: Sie möchte mit ihren eigenen Songs auf der Bühne stehen. Als sie zum ersten Mal gemeinsam mit THE SIX auftritt, ist das Publikum elektrisiert von ihr und Billy, dem Leadsänger der Band. Die beiden zusammen sind nicht nur auf der Bühne explosiv und führen die Band zu ihrem größten Erfolg, auch Backstage sprühen die Funken … "

Die Handlung

Der Roman schildert die Entwicklung der Band The Six und die Anfänge von Daisy Jones, bis sie aufeinander treffen und zu Daisy Jones & The Six werden und einen ebenso kometenhaften Aufstieg hinlegen - wie auch einen dramatischen Absturz. Musikalische Genies, Egos und der Kampf gegen innere wie äußere Dämonen - eine Interviewsammlung über eine geheimnisvolle Bandgeschichte in den 70er Jahren. 

Die Bewertung

Ich bin wahnsinnig hin und hergerissen - und das war ich auch beim Lesen. Taylor Jenkins Reid hat mit diesem Roman eine Interviewsammlung mit den Protagonisten in der Band und um sie herum geschrieben, die aus ihrer absolut persönlichen Sicht erzählen, wie sich die Band entwickelte, wie sie auf Daisy Jones traf, was das Musikbusiness der 70er Jahre in Los Angeles ausmachte - Höhen, Tiefen, Drogen, Liebe, Sex und Verzweiflung. Die Hauptfiguren sind Daisy Jones und Billy Dunne, der Bandleader von The Six, und viel dreht sich um ihre unmögliche Beziehung zueinander. Und mit ihnen hat Jenkins Reid Hauptfiguren geschaffen, die ich nicht sympathisch finden konnte. Besser erging es mir da mit Camila, Billys Ehefrau, mit Karen, der Schlagzeugerin, mit Graham, Billys Bruder. Sie haben alle ihre Schwächen, ihre eigenen Kämpfe, und das alles trifft im Business aufeinander - einem Business, das allein durch die Persönlichkeit, die in die Musik einfließt, seinen Reiz hat. Und deshalb ist die Trennung dieser Band wohl von Anfang an unvermeidlich.
Dieses Buch handelt von den Egos der Figuren und das reizt einen beim Lesen. Der Interviewstil ist ein Stück weit anstrengend - und gleichzeitig extrem gut gemacht. Von einer Aussage zur nächsten werden Widersprüche aufgedeckt, die mich immer wieder schmunzeln ließen, denn es zeigt einfach, wie unterschiedlich Situationen von Menschen wahrgenommen und erinnert werden. Gleichzeitig war es beim Lesen oft aber auch anstrengend, weil es meinen Lesefluss störte, dass es mehr wie ein Dialog wirkte, obwohl die Interviews getrennt geführt wurden. Oft habe ich einfach die tatsächlichen Erzählungen gelesen und gelesen - und musste zurückschauen, welche Figur hier eigentlich gerade erzählt. Manche Figur blieb für mich sehr eindimensional - aber auch das ist der Interviewform geschuldet, die natürlich den hauptsächlichen Fokus auf die Bandgeschichte und nicht zwangsläufig auf die persönlichen Erlebnisse gelegt hat. Einige Plotfäden wurden kurz entwickelt und gingen dann wieder im großen Ganzen verloren, wurden teilweise später wieder aufgegriffen oder wiederholt, manchmal blieben sie jedoch verschwunden.
Ich verstehe, warum dieses Buch von so vielen gefeiert wird - ich liebe die starken weiblichen Figuren - aber ich persönlich habe beim Lesen zu oft gestockt. Außerdem, und das ist wiederum sehr persönlich, finde ich so drogenlastige Geschichten anstrengend und bedrückend und brauche jemanden aus der ersten Reihe, mit dem ich mich identifizieren kann.

3 (3,5) von 5 Sterne

Dienstag, 23. Februar 2021

» Mädchen, Frau etc. ; Bernardine Evaristo

"Die Dramatikerin Amma steht kurz vor dem Durchbruch. In ihrer ersten Inszenierung am Londoner National Theatre setzt sie sich mit ihrer Identität als schwarze, lesbische Frau auseinander. Ihre gute Freundin Shirley hingegen ist nach jahrzehntelanger Arbeit an unterfinanzierten Londoner Schulen ausgebrannt. Carole hat Shirley, ihrer ehemaligen Lehrerin, viel zu verdanken, sie arbeitet inzwischen als erfolgreiche Investmentbankerin. Caroles Mutter Bummi will ebenfalls auf eigenen Füßen stehen und gründet eine Reinigungsfirma. Sie ist in Nigeria in armen Verhältnissen aufgewachsen und hat ihrer Tochter Carole aus guten Gründen einen englischen Vornamen gegeben.

Auch wenn die Frauen, ihre Rollen und Lebensgeschichten in Bernardine Evaristos Mädchen, Frau etc. sehr unterschiedlich sind, ihre Entscheidungen, ihre Kämpfe, ihre Fragen stehen niemals nur für sich, sie alle erzählen von dem Wunsch, einen Platz in dieser Welt zu finden. "

Die Handlung

Amma, Shirley, Bummi, Penelope, Jazz... Bernardine Evaristo versammelt in ihrem Roman die Geschichten von Frauen. Frauen, die ihren Platz in der Gesellschaft erkämpfen müssen, die ihre Identitäten finden und verteidigen müssen, Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen machen und sind die Stimmen des Feminismus - heute und früher. Denn die Wege dieser Frauen werden nicht nur in der aktuellen Zeit verfolgt, sondern zeigen auch, wo sie herkommen - und wie weit (oder wenig weit) sie gekommen sind.
Amma beispielsweise schreibt Theaterstücke und erhofft sich ihren Durchbruch mit einem Stück, mit dem sie als schwarze Frau und als lesbische Frau ihre Stimme erheben will. Ihre Tochter Jazz sucht an der Universität ihren Weg - zwischen Privilegien und Kämpfen. Mit jeder neuen Figur, die Evaristo einführt, spinnt sie das Netz weiter, denn über die eine oder andere Ecke sind ihre Schicksale und Wege alle miteinander verbunden, was die Neugier auf die neuen Figuren nur steigert.

Die Bewertung

In dieses Buch musste ich mich ein wenig hineinkämpfen, da bin ich ganz ehrlich. Die unkonventionelle Schreibweise, ohne Punkte, ohne wörtliche Rede, mutet beinahe lyrisch an und so hat es einige Kapitel gebraucht, bis ich den Ton des Buchs fühlen konnte und plötzlich feststellte, wie sehr es mich in seinen Bann gezogen hat. Mich faszinieren Geschichten, in denen Figuren auf so unterschiedliche Weisen zusammengehören. Außerdem erzählt die Autorin mit viel Macht über den Kampf der Feministinnen, der Schwarzen Frauen, derjenigen Frauen, die nicht dem heteronormativen, weißen Weg folgen (können und wollen) und damit die Gesellschaft wieder und wieder herausfordern - und damit eine Geschichte schwarzer Frau (in England) nachzeichnet. Ich konnte wieder einmal viel lernen und bin dafür sehr dankbar. Viele Situationen haben mich tief getroffen, sowohl aus einem Mitgefühl heraus als auch wegen einer gewissen Schuld, die ich empfinde wegen meines so leichten Weges. Dieses Buch trägt seine Preise zurecht und sollte von so viel mehr Menschen gelesen werden. 

4 von 5 Sterne

Samstag, 20. Februar 2021

» Heimkehren ; Yaa Gyasi


"Ghana, 18. Jahrhundert: Die beiden Mädchen Effia und Esi wachsen auf, ohne zu wissen, dass sie Halbschwestern sind. Geboren von derselben Mutter, könnten ihre Lebenswege kaum unterschiedlicher sein: Effia heiratet als eine der ersten Frauen des Dorfes einen weißen Engländer, der eine Schlüsselrolle im Sklavenhandel spielt, und folgt ihm auf die Festung Cape Coast, auf der sie fortan lebt. Effia, ihre Halbschwester, wird dagegen bei einem Überfall auf das Dorf gefangen genommen und mit Tausenden anderen erst in die Verliese von Cape Coast und dann auf die Baumwollplantagen Amerikas verschifft. Und mit einer fesselnden erzählerischen Kraft folgt die Autorin Yaa Gyasi den Nachkommen beider Frauen über acht Generationen hinweg bis in die Gegenwart hinein: Von den Baumwollplantagen im Süden der USA über die Große Migration, von den Missionaren und dem Kampf gegen die Briten in Ghana, bis hin zu den Jazzclubs in Harlem entsteht ein berührendes Epos, das tief in die Geschichte der Sklaverei, der Schwarzen in Amerika, des Kolonialismus und der Befreiung eintaucht."

Die Handlung


Zwei Mädchen, deren Leben von Beginn an sehr ähnlich hätte verlaufen können - zwei Schwestern, die sich aber nie kennenlernen werden - zwei Familienstammbäume, die sich auf völlig unterschiedliche Weise entwickeln. Effia wird als junge Frau von ihrer Stiefmutter an einen reichen weißen Sklavenhändler verheiratet, während Esis Dorf von einem anderen Stamm überfallen wird und sie selbst versklavt wird. Von dort an folgt der Leser Generation über Generation von Ghana über die Baumwollplantagen im Süden Amerikas bis nach New York und sieht dabei der Geschichte beim permanenten Wandel zu, bei der Effias oder Esis Familie immer wieder auf den verschiedenen Seiten der Geschichte stehen.

Die Bewertung

In jedem einzelnen Kapitel zeichnet Yaa Gyasi spannende, menschliche Figuren, die eine Brücke schlagen zur Generation davor, was sie einem gleich noch näher bringt, und an ihrer Seite erlebt der Leser die unfassbare Geschichte der Sklaverei auf dem afrikanischen Kontinent, hinein in den Süden der USA. Es ist eine Darstellung von nicht-gehörten Schicksalen, von schwarzem Stolz und Traditionen, aber ebenso von Unterdrückung, Grausamkeit und Ungerechtigkeit. Ich habe viel mitgenommen über die Geschichte von Ghana, ihre Bräuche, ihren Glauben, ihre Weltsicht. Jedes einzelne Kapitel ist so spannend und faszinierend erzählt, dass man am Ende einer Perspektive dem Weg der Figur noch viel weiter folgen möchte, während man gleichzeitig ungeduldig ist zu erfahren, welche Figur als nächstes auf einen wartet und wie ihr Weg aussehen wird. Das Buch ist in keiner Weise leichte Kost, es ist wichtig, dass diese Geschichte schonungslos erzählt wird, aber die erzählerische Kraft in den Worten von Yaa Gyasi ist immens. 

Ein besonderer Blick: Das Hörbuch

Eine Ansammlung von vielen von Deutschlands besten Hörbuchsprechern hat Der Audio Verlag für dieses Hörbuch versammelt: Bibiana Beglau, Jule Böwe, Johann von Bülow, Britta Steffenhagen, Wanja Mues, Bjarne Mädel, Götz Schubert, Rike Schmid, Judith Engel, Lisa Wagner, Stefan Kaminski, Felix Goeser, Jodie Ahlborn und Max Mauff lesen die einzelnen Kapiteln, was den Figuren noch viel mehr Leben einhaucht. 

5 von 5 Sterne

Freitag, 19. Februar 2021

» Couchsurfing in Saudi-Arabien (Meine Reise durch ein Land zwischen Mittelalter und Zukunft) ; Stephan Orth

"Als Saudi-Arabien erstmals Touristen einreisen lässt, packt Bestsellerautor Stephan Orth sofort den Rucksack. Von Couch zu Couch erkundet er das Königreich und erhält Einblicke in eine verschlossene Gesellschaft, wie sie bisher keinem westlichen Besucher möglich waren. Er wird Zeuge eines radikalen Wandels, sieht Frauen Auto fahren und tanzt mit Zehntausenden beim Wüsten-Rave. Doch jenseits der Glitzerwelt gelten drakonische Strafen, und an der Grenze zum Jemen sind die Bomben nicht zu überhören. Stephan Orth berichtet von seiner bisher aufregendsten Reise."

Die Handlung

Saudi-Arabien öffnet seine Grenzen für Touristen - und Stephan Orth reist in das Land ein, um eine weitere Couchsurfing-Reise anzutreten. Im Vorfeld hat er Kontakt aufgenommen zu verschiedenen Einheimischen, die auf der Couchsurfing-Website angemeldet sind, um eine Reise durch das ihm (und uns) so unbekannte, so ferne und bisher so verschlossene Land zu machen, dieses kennenzulernen, seine Traditionen, Werte, den Alltag der Menschen. Dabei überrascht er die Menschen, die vor ihm wohl noch nie eine Person getroffen haben, die nicht aus dienstlichen Gründen eingereist ist. 
Wie auch in seinen Büchern über die Reisen durch China, Russland und den Iran trifft er auf eine vielfältige Mischung aus Menschen (hauptsächlich natürlich auf Männer), die ihm ihr eigenes Saudi-Arabien zeigen - zwischen Religiosität, Traditionen und dem unaufhaltsamen Weg in die Moderne - und auch geprägt von einer scheinbaren Kritikabwesenheit an der Regierung ihres Landes.
So reist Orth durch die großen Städte ebenso wie durch die Wüste und berichtet von spannenden, widersprüchlichen und teils absurden Begegnungen in diesem eben sehr widersprüchlichen Land.

Die Bewertung

Stephan Orth hat eine weitere Reise angetreten, um ein eher ungewöhnliches Urlaubsland auf recht unkonventionelle Weise kennenzulernen: in dem er die internationale Website Couchsurfing nutzt, mit der er mit Einheimischen Kontakt aufnimmt, um nicht nur auf ihren Sofas eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden, sondern auch das echte Leben kennenzulernen.
Saudi-Arabien ist zum einen ein Land, das erst 2019 seine Grenzen für Touristen öffnete - bis dahin war es unmöglich, als ein solcher ein Visum zu erhalten. Doch die Regierung hat einen maximal offensiven Weg zur Modernisierung des Landes eingeschlagen und dazu gehört auch, den Tourismus ins Land zu holen. Zum anderen ist Saudi-Arabien aber auch in unseren Köpfen mit Grausamkeiten wie dem Mord an Jamal Khashoggi verbunden, mit einem radikalen Islam, mit der Unterdrückung von Frauen. Der Autor ist auf die unterschiedlichsten Menschen auf seiner Reise getroffen und berichtet von diesen Begegnungen ehrlich, aber auch mit einer feinen Prise Humor, so absurd sie manchmal sein können. Dabei versucht er, unvoreingenommen auf Land und Leute zuzugehen, unterschlägt aber die kritischen Momente nicht, die er erlebt und aus den Gesprächen mitnimmt.
Das Buch endet mit einem sich schließenden Kreis: Endlich waren die Grenzen geöffnet, da sorgt Covid-19 dafür, dass sie sich wieder schließen.

4 von 5 Sterne

Montag, 31. August 2020

Der Herr der Ringe - und Ich

 Oder: Mein Weg nach Mittelerde

Obwohl ich schon, seit ich denken kann, eine begeisterte Leserin von Fantasy-Büchern war, habe ich keinen Zugang zur Welt von "Herr der Ringe" gefunden, als ich jünger war. Vielleicht habe ich damals angenommen, dass man entweder Harry Potter liebt, oder eben Herr der Ringe (was für ein blöder Gedanke). 
Im Studium kam ich dann an den Punkt, dass jede Menge meiner Freunde (große) Fans der Serie waren und ich zumindest endlich die grobe Handlung kennen wollte. Mehr, als dass es um einen Ring geht und Hobbits und Elben und Zwerge, wusste ich nämlich nicht. Also habe ich mir damals die DVDs ausgeliehen und sie angesehen, um wenigstens grob mitreden zu können. Womit ich ja streng genommen sehr gegen meine übliche Haltung spricht, Bücher zu lesen, bevor ich die Verfilmung anschaue. Die Bücher jedoch waren ein ganz anderes Level der Einschüchterung im Vergleich zu diesen auch schon sehr langen, sehr geliebten Filmen. 
Im Grunde war es jedoch gut, dass ich die Filme kannte, denn so stand einem Familien-Kino-Date nichts im Wege, als die Hobbit-Filme Premiere hatten. Was eine kleine wiederkehrende Tradition wurde, denn auch die anderen Filme sahen wir gemeinsam an und versuchten, diese Filme in kleinen, gemütlichen Kinos zu sehen, was wirklich schöne Erinnerungen sind.

 Im Frühjahr 2020 kam dann ein Moment, in dem mehrere Dinge zusammenkamen, vor allem: 
  • Ich bin in die Welt von Bookstagram gerutscht und habe ab und zu festgestellt, dass mit Tolkiens Werk ein absoluter Klassiker der Fantasy-Literatur in meiner "Statistik", meinem Wissen einfach fehlt
  • Ich habe endlich wieder einen Blick auf die Rory Gilmore Lese-Challenge geworfen, die ich ein wenig (oder ziemlich) vernachlässigt hatte - und auch hier ist Tolkien natürlich vertreten
Mein Ehrgeiz war (endlich) geweckt worden. Also habe ich mir das eBook vom Hobbit aus der Bücherei ausgeliehen (und dabei ignoriert, dass ich das Buch sogar im Schrank stehen hatte) und angefangen. Und was soll ich sagen? Ich bin durch die Seiten geflogen. Es hat so wahnsinnig viel Spaß gemacht, es hat das tolle Filmerlebnis vertieft und mich in meiner Entscheidung mehr als bestärkt. Der Hobbit war ein Türöffner, dabei weiß ich, dass ich oft erzählt habe, wie ich als Teenager durchaus in das Buch hineingeschnuppert hatte - und von den ausufernden Beschreibungen abgeschreckt wurde.

Für den Sommer habe ich mir die Herr der Ringe-Ausgaben von meinem Vater ausgeliehen, die komplett coverlos sind, einen kleinen Wasserschaden erlitten haben und nicht einmal ein Erscheinungsdatum verraten. 
Ich kann keine Rezension über diese wunderbaren Klassiker schreiben, weil es nichts gibt, was ich den unzähligen klugen Menschen hinzufügen könnte, die seit Jahrzehnten über den Mittelpunkt von Tolkiens Werk über Mittelerde schreiben. Aber ich möchte sagen, dass ich, nachdem ich gestern die letzte Seite umgeblättert habe, von einer wehmütigen Stimmung erfasst wurde und noch immer der Geschichte hinterher hänge.
Es ist ein Wunder, wie Tolkien mit teilweise so wenigen Sätzen Charaktere erschafft, die einem richtig am Herzen liegen. Wie unfassbar reich und weit seine Welten gehen. Wie viel von Tradition und Lebensweise über die Völker von Mittelerde vermittelt wurde, obwohl sich alle mitten in einem Krieg befanden und wir kaum einmal dem normalen Leben folgen konnten. 
Ich habe ein Stück meines Herzens an diese Bücher verloren, spät genug. Das Schöne ist, dass es so viel mehr von Tolkiens Mittelerde noch zu erkunden gibt, worauf ich mich freuen kann.